Lernen als Abenteuer

Umgang mit Fehlern und wie Sie das Behalten von Wissen fördern

Vor Jahren habe ich mein erstes Gulasch gekocht. Damals war ich noch sehr jung und hatte wenig Erfah­rung im Kochen. Ich hatte mir das Rezept von meiner damaligen Lehrchefin geben lassen.

In großer Vorfreude machte ich mich daran, ein leckeres Mal für meine Familie zuzube­reiten. So befolgte ich das von mir, damals noch per Hand, notierte Rezept und fügte alle Zutaten zusammen. Es entstand ein sehr ansehn­li­ches Mahl und ich brachte es stolz auf den Tisch. Als wir anfingen zu essen, mussten wir leider feststellen, dass ich mich wohl etwas mit dem Chili vertan hatte und das Gulasch für die meisten am Tisch zu scharf war.

Oh Gott, war mir das peinlich. Die anderen liefen rot an und traten ihnen augen­blick­lich Tränen in die Augen. Sie waren tapfer und aßen mit großem Appetit, spülten einfach mit reich­lich Wasser nach und nahmen es mit Humor. Sie haben überlebt.

Nun könnte man meinen, das Kochen war für mich ab sofort erledigt. Im Gegen­teil. Ich nutzte die Erkenntnis und dosierte beim nächsten Mal etwas maßvoller.

So ist das heute noch. Passieren mir Fehler und die passieren immer dann, wenn man etwas tut, dann überlege ich mir, was ich beim nächsten Mal anders machen kann. Das funktio­niert in etwa 99 von 100 Fällen richtig gut.

Egal wann und bei wem, ich schaue immer, was wir daraus lernen können, und versuche den Fokus darauf zu richten.

Gerade Menschen im Lernpro­zess bzw. junge Menschen in der Ausbildung brauchen die Sicher­heit, dass Fehler kein Beinbruch sind, sondern dass sie daraus lernen können.

In Gesprä­chen mit Azubis erhalte ich oft die traurige Rückmel­dung: Wird z. B. die Rechnung im Buchungs­system auch nach der 10. Erläu­te­rung falsch gebucht, dann wird dies nicht in Ruhe analy­siert, sondern vielmehr mit vielen Worten und Unver­ständnis kommentiert.

Passiert das häufiger bzw. wird in der Regel so reagiert, wirkt sich das dauer­haft schäd­lich auf das künftige Heran­gehen an neue Aufgaben aus. Die Auszu­bil­denden oder Lernenden vermeiden Handlungen oder verste­cken ihre Fehler. Und schon steht die nächste Kritik in den Start­lö­chern. „Er oder Sie versucht es nicht mal. Er oder Sie hat mir den Fehler verschwiegen. Er oder Sie zeigt keinen Einsatz“ und so weiter.

Egal wie Sie es persön­lich kennen­ge­lernt haben, entwi­ckeln Sie für Ihren Verant­wor­tungs­be­reich eine eigene Fehler­kultur, wenn Sie sich mehr selbst­stän­digen Einsatz  und Entde­cker­freude wünschen.

Behalten Sie die Ruhe und finden Sie Lösungen, wie Ihre Azubis in Zukunft das vermit­telte Wissen besser behalten und anwenden. Und geben Sie ihnen die Chance aus Fehlern zu lernen. Das funtkio­niert sehr gut, wenn wir unseren eigenen Vermitt­lungs­stil reflek­tieren, zum Handeln anregen und den Fokus auf das erfolg­reich Umgesetzte richten. 

Schon 100 Mal erklärt und doch wieder falsch

Es kann gut sein, dass wir es mit einer Person zu tun haben, die viele Anläufe benötigt, etwas zu lernen und sicher anzuwenden. Oder es ist auf körper­liche und/oder entwick­lungs­be­dingte, sowie psychi­sche Probleme zurück­zu­führen. Doch auch ohne diese Einschrän­kungen verzwei­feln viele Ausbil­de­rinnen und Ausbilder, weil es wird mit mehrma­ligen Wieder­ho­lungen nicht besser wird.

Die Berück­sich­ti­gung der Lerntypen und die Einord­nung in Arbeits­ab­läufe geht im Arbeits­alltag oft unter. Doch dies ist für die Behal­tens­quote entschei­dend. Kann durch den Azubi keine Einord­nung in einen bekannten Ablauf erfolgen, bleibt die Handlung abstrakt und die Verknüp­fung bleibt aus. Das ist ungefähr so, als ob wir lernen, wie wir einen DVD-Film starten, aber nicht wie wir eine DVD in den Player einlegen oder heraus­nehmen. Am Ende würden wir keinen neuen Film anschauen können, weil wir den Zusam­men­hang nicht kennen.

Durch­bre­chen Sie die Muster

Reden Sie nicht getreu dem Motto „viel hilft viel“ immer weiter auf den Azubi ein. Probieren Sie etwas anderes, z. B.

Lassen Sie den Azubi für die vermit­telten Arbeits­ab­läufe eine Bedie­nungs­an­lei­tung schreiben. Das geht modern als Bilder­strecke oder noch moderner als Video­tu­to­rial. Beides wird Ihnen im Anschluss vorge­führt und gemeinsam überprüft. Schon beim Erstellen wird den Azubis klar, es funktio­niert oder funktio­niert nicht. Sie drehen eine eigene Überprü­fungs­schleife und lernen daraus.

Das Video oder die Fotostrecke können sogar auf der eigenen eLear­ning-Platt­form als Lernvi­deos geladen werden und dienen anderen Lernenden zur Übung.

Die Azubis werden stolz auf ihr eigenes Produkt sein und beim nächsten Mal vielleicht sogar bewusster bei der Sache sein.

Ein wenig mehr Hinter­grund­infos dürfen es sein

Stellen Sie sich vor, der Azubi soll lernen, wie er an einem modernen Kassen­system die Produkte aufruft und in die Rechnung übernimmt. Meist geschieht das so, dass wir an der Kasse bzw. Bildschirm stehen und die Tasten­kom­bi­na­tionen für die Suche, Auswahl und das Speichern erläutern.

Im Grunde ganz einfach. ABER!

Meist erklären wir die nur die Tasten­kom­bi­na­tionen, machen es mehrmals vor und dann soll der Azubi nachma­chen. Bis zu diesem Zeitpunkt hat der Azubi noch nicht einen eigenen Handschlag gemacht. Er weiß, er muss das Produkt suchen und er weiß auch, dass er es auswählen muss, damit es in die Rechnung übernommen wird.

Stellen Sie sich im Vorfeld die Fragen:

  • Was ist das Ziel der Unterweisung?
  • Wozu dienen die Arbeitsschritte?
  • Warum muss das so und nicht anders gemacht werden?
  • Was passiert, wenn man sich nicht an diesen Ablauf hält?
  • Ist der grund­sätz­liche Ablauf mit den vorher­ge­henden Arbeits­schritten bekannt?
  • Ist das Programm mit Einsatz­zweck und Anwen­dungs­be­reich bekannt und gab es bereits Berüh­rung mit dem System?
  • Kann das Vorgehen selbst­ständig geübt werden?

Leiten Sie von den Antworten Ihre Vorge­hens­weise ab und geben Sie die Infor­ma­tionen mit. Ganz beson­ders das Ziel der Unter­wei­sung wird gern mal ans Ende gestellt.

Vergessen Sie nicht: Die Arbeits­ab­läufe sind uns in Fleisch und Blut überge­gangen und wir kennen die Antworten auf die vorge­nannten Fragen bereits.

Ja, ja….

Ein weiterer Ansatz­punkt ist das Thema der Verstän­di­gung mit Personen, die unsere Sprache nur einge­schränkt verstehen und sprechen. Da geht viel verloren, ohne dass wir das mitbe­kommen. Ich habe schon oft erlebt, dass mit klarem Kopfni­cken Verstehen ausge­drückt wurde und selbst auf Nachfrage mit einem ausge­prägten „Ja, ja“ bestä­tigt wurde.

Dann schicken wir ein „Wenn du es nicht verstanden hast, dann frage bitte nach.“ hinterher. In diese Falle bin ich schon häufiger getappt. Ebenso häufig fragen mich Ausbil­de­rinnen und Ausbilder, warum die Azubis vorgeben alles verstanden zu haben und es dann noch nicht tun?

Ich sag mal so. Gehört ist nicht gleich verstanden. Und mit Fachsprache, schon mal gar nicht.

Übergeben Sie an den Azubi einfach die Erklärer-Rolle und lassen Sie sich unter­weisen. Schnell werden Sie erkennen, was wirklich verstanden wurde. Greifen Sie in der Erklä­rung aber bitte nicht sofort ein. Lassen Sie machen und unter­stützen mit Fragen und Aktivie­rung, wenn er nicht weiterkommt.

  • Wobei bist du dir unsicher?
  • Beschreibe mir bitte in deinen Worten, was du machen willst.
  • Welche Schritte sind im Allge­meinen für diesen Ablauf notwendig?
  • Was haben wir am Ende, wenn es richtig gelaufen ist?

Last but not least

Motivieren Sie den Azubis alles aufzu­schreiben. Schenken Sie ihm ein Notiz­buch, wie wäre es mit einem im Unter­neh­mens­de­sign? Nicht zu groß und nicht zu klein, wird es ein steter Begleiter. Fordern Sie das Aufschreiben und Skizzieren am Anfang immer ein. Stich­punkte reichen völlig. Wird dieses Heran­gehen zum festen Ritual und hilft beim Behalten und Nachvoll­ziehen wichtiger Lernsequenzen.

Sie haben einen nicht lösbaren Fall und benötigen Sie meine Unter­stüt­zung? Lassen Sie uns darüber sprechen, wie ich Sie unter­stützen kann.

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