Vor einigen Jahren hatte ich ein Probezeitgespräch mit einer Auszubildenden. Die junge Frau war in den ersten Wochen hoch motiviert und fleißig. Sehr schnell konnte ich erkennen, dass sie viel Freude am ordentlichen Führen ihrer Schul- und Lernunterlagen hatte. Alles hatte seine Struktur.
Nur am eigentlichen Arbeitsplatz ließ sie diesen Einsatz und Freude vermissen. Es dauerte nicht lange und sie fehlte tageweise, verletzte sich am Fuß und vermied jeden Einsatz in der Briefzustellung. Sie suchte zunehmend nach Möglichkeiten, sich dem zu entziehen.
Wird ein solches Vermeidungsverhalten beobachtet, ist ein offenes Gespräch über die Beobachtungen anzuraten. Das haben wir getan. Sie gelobte „Besserung“ und beteuerte stets, dass sie große Freude am gewählten Beruf hatte.
Für eine kurze Dauer schien es sogar der Realität zu entsprechen. Sie mühte und mühte sich. Dennoch, es war an ihrem ganzen Erscheinungsbild abzulesen, sie war mit der Situation absolut unglücklich. Nicht nur ihr ging das so. Wir versuchten vieles und boten immer wieder Unterstützung an. Beide Seiten mussten einsehen, dass es für Sie einfach nicht die richtige Berufswahl war.
Wir entschieden uns für eine Probezeitkündigung.
Da diese Gespräche zu den schwierigen ihrer Art gehören…
Nutzen Sie meine 8 Tipps für die positive Gesprächsführung bei einer Probezeitkündigung
1. Tipp
Bereiten Sie sich auf das Gespräch vor und laden Sie zu einem Termin ein. Führen Sie das Gespräch nicht zwischen Tür und Angel und egal aus welchem Grund niemals einem hochemotionalen Zustand.
Wenn Sie aus einem negativen Erregungszustand heraus die Kündigung aussprechen, ärgern Sie sich womöglich im Nachgang. Oder das Gespräch entwickelt sich zu einem ungewollt hitzigen Schlagabtausch.
Ich gehe davon aus, dass Sie bis hierhin nichts unversucht gelassen haben, trotzdem einen guten gemeinsamen Weg zu finden. Viele Azubis haben zu diesem Zeitpunkt weder eine gute Orientierung noch eine entwickelte Persönlichkeit. Es ist unsere Aufgabe zu fördern und zu begleiten und die Auszubildenden darin zu unterstützen.
2. Tipp
Schaffen Sie eine entspannte Gesprächsatmosphäre. Verstecken Sie nicht hinter Schreibtisch und Bildschirm. Setzen Sie sich idealerweise gemeinsam über Eck an einen Tisch zusammen. Dies verhindert Angst und fördert eine offene Gesprächsatmosphäre.
Nehmen Sie sich vor dem Gespräch ein paar Minuten Zeit für sich selbst, damit Sie sich zu 100 % auf das Gespräch konzentrieren können.
Handy und PC bleiben stumm bzw. im Ruhemodus.
Bieten Sie etwas zu trinken an. Es kann gut und gern passieren, dass Ihnen Beiden bei diesem Thema die Spucke wegbleibt.
Taschentücher sind sicher angebracht und dürfen zu Beginn noch in der Tasche verbleiben.
3. Tipp
Begrüßen Sie freundlich und halten Sie Augenkontakt. Nehmen Sie die Auszubildenden wahr.
Leiten Sie das Gespräch ein: „Ich habe dich eingeladen, weil ich mit dir über das Ende deiner Probezeit sprechen möchte.“
„In den letzten Wochen haben wir XY beobachtet. Wir haben bereits mehrfach über mögliche Lösungen gesprochen. Leider haben wir keine Veränderungen feststellen können und erwarten, dass sich das künftig weder nach unserer noch nach deiner Vorstellung entwickelt. Daher haben wir uns entschieden, den Ausbildungsvertrag innerhalb der Probezeit zu lösen.“
Achtung! Vermeiden Sie grundsätzlich in Vorwürfe zu verfallen. Das ist für das Gespräch nicht förderlich und die Auszubildenden verschließen sich jeden weiteren Dialog. Nehmen Sie trotz der angestrebten Probezeitkündigung eine wohlwollende Haltung ein.
4. Tipp
Geben Sie den Auszubildenden die Möglichkeit zur Rückmeldung und laden Sie sie mit Fragen zum Sprechen ein.
Die Frage nach dem Warum? wird selten beantwortet. Aus diesem Grund eignet sich die Frage: „Möchtest du mir sagen, wie du das von mir angeführte Verhalten für dich einschätzt?“
5. Tipp
Ihre Entscheidung sollte wohl überlegt sein. Bleiben Sie dabei und nehmen Sie im Gespräch nicht plötzlich die Kündigung zurück. Es entsteht eine unklare und verunsichernde Situation, die Auswirkung auf die weitere Ausbildung hat.
Anmerkung in eigener Sache: Ich habe das in meiner Ausbildungspraxis einmal gemacht und aus sozialen Gründen gegen meine Überzeugung gehandelt. Im Anschluss wurde es nur für eine kurze Weile besser. Über die gesamte Dauer der Ausbildung fehlte der Auszubildende überproportional viel, war wenig zu motivieren und zeigte eher unterdurchschnittliche Arbeitsergebnisse. Viel Ärger und Diskussionen folgten. Er kam nie wirklich in der Ausbildung an und hat nur mit Glück die Prüfung bestanden. Das war für beide Seiten keine gute Zeit.
6. Tipp
Wenn gewünscht: geben Sie gern Hinweise, was die Auszubildenden tun können, damit es beim nächsten Mal erfolgreich wird.
Erwähnen Sie unterstützende Einrichtungen, wie die Jugendberufsagentur, Arbeitsagentur und Bildungsträger, die eine wirkungsvolle Begleitung auf dem neuen Weg sein können.
7. Tipp
Erläutern Sie das nun folgende Vorgehen und erkundigen Sie sich, ob die Auszubildenden noch Fragen haben.
Stehen Sie auch im Anschluss als Ansprechpartner:in für weitere Fragen zur Verfügung.
8. Tipp
Beenden Sie das Gespräch freundlich und wünschen Sie den Auszubildenden alles Gute für die Zukunft.
Mit meinen 8 Tipps können Sie das Probezeitgespräch trotz Ausbildungsabbruch so gestalten, dass die Auszubildenden schnell wieder von der Schreckensnachricht erholen und die Chance sehen können, den für sie richtigen Beruf zu wählen und/oder die eigenen Ziele zu überdenken.
Übrigens! Die junge Frau wollte eigentlich Kinderkrankenschwester werden. Sie hat mir im Herbst danach ganz stolz berichtet, dass sie eine neue Ausbildung in ihrem Wunschberuf gefunden hat. Wenn ich das höre, geht mir das Herz auf und ich freue mich mit den jungen Leuten.
Sie wünschen sich mehr Anregungen von mir, nehmen Sie gern Kontakt zu mir auf. Ich stehe Ihnen mit Rat und Tat zur Seite.
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